Arten von Chatbots, Andreas Wagener, Künstliche Intelligenz im Marketing – ein Crashkurs, Haufe, 2019, CC BY-SA 4.0

Chatbots & Sprachassistenten im Kundenmanagement

Die Aufgabengebiete von Chatbots und Sprachassistenten sind vielfältig. Als „Kundeninterface“ ermöglichen sie die Kontaktaufnahme für Serviceanfragen und übernehmen im Anschluss den automatisierten Dialog mit den Gesprächspartnern entweder auf der Website des Unternehmens oder in dessen Social Media Profilen.

Grundsätzlich können Chat- und Voicebots beim gesamten Prozess der Kundenbearbeitung zum Einsatz kommen, um eine gute „Customer Experience“ systematisch und automatisiert zu gewährleisten und stetig zu verbessern. Als Vorteile gegenüber der klassischen Telefonhotline oder E-Mail-Anfragen gelten neben den Ressourcenersparnissen, die durch die Übertragung routinemäßiger Tätigkeiten von den menschlichen Mitarbeitern erwachsen, vor allem auch die niedrigere Hemmschwelle bei den Kunden zur Kontaktaufnahme. Zudem ermöglicht der hohe Automatisierungsgrad des Kundendialogs auch eine Verknüpfung mit den Backend-Systemen wie auch eine verlässliche Erfolgsmessung.

Arten von Chatbots im Kundenmanagement

Grob lassen sich die Bots ihrer Funktion im Kundendialog nach in folgende Kategorien gliedern:

  • Content Bots: Bereitstellung, Platzierung und Distribution von Inhalten zur Kundenkommunikation
  • Product Information & Recommendation Bots: Information über Produkte und Alternativen, Empfehlungen von Produkten und Angeboten entsprechend der Kundenpräferenz
  • Ordering Bots: Abwicklung des Bestellverfahrens im (Online-)Handel
  • Customer Service Bots: Bearbeitung von Anfragen im Customer Support und After-Sales-Service
Arten von Chatbots. Aus: Andreas Wagener, Künstliche Intelligenz im Marketing – ein Crashkurs, Haufe, 2019, CC BY-SA 4.0

Chatbots in der Praxis des Kundenmanagements

In der Praxis findet sich diese Aufteilung in Aufgabengebiete nicht mehr absolut trennscharf wieder. Dennoch wird versucht, die folgenden Anwendungsbeispiele entsprechend zu ordnen:

Der Premier League Club AFC Bournemouth hat unter anderem mit der Unterstützung von Microsoft  mit dem CherryBot – der Fußballverein von der englischen Südküste wird auch als „The Cherries“ bezeichnet – einen Content Bot geschaffen, der die Facebook-Messenger-Plattform nutzt, um mit seinen Fans zu interagieren und einen „Kundendialog“ zu entfalten. Ziel ist es erklärtermaßen  mit dem Bot einen virtuellen Vertreter des Vereins zu schaffen, der die Emotionalität der Anhänger aufnimmt und sich entsprechend der im Rahmen einer „Sentiment Analyse“ als vorherrschend identifizierten Stimmung zum Verein und direkt zum aktuellen Spielverlauf zu Wort meldet. Zudem soll er Fragen der Fans automatisiert beantworten können und stellt Informationen, Daten und Fakten zu den Spielen, wie auch Videohighlights zur Verfügung. Des Weiteren organisiert der „CherryBot“ Selfie-Wettbewerbe sowie eine Wahl des „Player of the Match“ durch die Teilnehmer. Die gesammelten Informationen werden für die Optimierung des weiterführenden Dialogs ausgewertet – etwa auch per Bilderkennung auf Personenfotos, um Emotionen daraus auszulesen.

Chatbots als Shoppingassistenten

Nicht nur allein online, auch im Offline-Geschäft können Bots zum Einsatz kommen. Die US-Modekette „Macy’s“ bietet ihren Kunden den digitalen Assistenten Macy’s On Call an, der dabei helfen soll, sich im Laden vor Ort zurechtzufinden. Der Chatbot versteht auch „unstrukturierte“ Textanfragen, wie „Wo finde ich Schuhe?“, und liefert daraufhin die korrekte Antwort zu den entsprechenden Produktinformationen. Auch weiterführende Beratungen und Empfehlungen von Alternativen können auf diese Weise durchgeführt werden. Beispiele für solche klassischen Recommendation Bots finden sich vor allem im Modeumfeld, wie etwa bei „H&M“, „Burberry“ oder „Tommy Hilfiker“. Diese unterbreiten, abgestimmt auf das zuvor angesehene oder bereits gekaufte Kleidungsstück, Angebote weiterer dazu passender Artikel – gewissermaßen als automatisierter Style-Berater

In Großbritannien setzt der deutsche Discounter „Lidl“ im stationären Handel auf einen Chatbot, der Kunden beim Kauf von Wein behilflich ist. „Margot“ geht auf die Preis- und Herkunftspräferenzen der Kunden ein und kann auch den passenden Wein zu einem Essen empfehlen

Die indische „HDFC Bank“ versucht die Vorabinformation der Nutzer über seine teilweise sehr komplexen und erklärungsbedürftigen Finanzprodukte über den hauseigenen Chatbot EVA abzuwickeln. Anforderungen an die Kreditvergabe, Konditionen und Detailinformationen zu Wertpapieren werden durch den Bot bereitgestellt. Auch eine rudimentäre Beratung, etwa zu einer Darlehensaufnahme, führt „EVA“ eigenständig durch. Der Chatbot kann sowohl über die Unternehmenswebsite als auch über die Sprachassistenzdienste von Google und Amazons „Alexa“ aktiviert werden.

Chatbots im Bestellprozess

Auch den anschließenden Bestellprozess können Chatbots übernehmen. Ordering Bots übernehmen im Dialog mit dem Kunden die Aufnahme der Bestellung, leiten die erfassten Informationen an die nachverarbeitende Stelle weiter, versenden eine Bestellbestätigung und geben über den Status der Bestellung im Nachgang Auskunft. Zahlreiche Beispiele gibt es hierzu vor allem im Bereich der Food-Lieferservices, bei den großen US-amerikanischen Fastfood-Unternehmen wie „Subway“, „Burger King“, „Pizza Hut“ oder „Taco Bell“.

Gleiches gilt für den Taxidienst und Uber-Konkurrenten „Lyft“, der seine Bots sowohl über den Facebook Messenger als auch akustisch via Amazon initiiert. Nutzer erhalten dort Auskunft über den aktuellen Ort eines Wagens und seines Fahrers sowie Informationen über den Fahrzeugtyp und das genaue Nummernschild. Gleichzeitig begreift „Lyft“ den hier stattfindenden Kundendialog als wichtigen Beitrag zu einer optimierten „Customer Experience“. Dazu greift man nach Unternehmensangaben auf KI zurück, auch um mögliche Kundenfragen, „vorherzusagen“ und dann den Bestell- und Abwicklungsprozess für den Passagier in Echtzeit zu personalisieren.

Chatbots im Kundenservice

Augenfällig ist der Einsatz von Chatbots und autonomen Sprachassistenten zudem im Kundenservice oder Vertrieb. Customer Service Bots können herkömmliche Kundencenter ablösen, über eine Kontaktaufnahme per E-Mail an die Stelle der zeitversetzten Kommunikation treten oder auch klassische Callcenter-Aufgaben übernehmen. Dabei geht es nicht nur um die automatisierte Verarbeitung von Serviceanfragen, den klassischen Customer Support. Chatbot-Systematiken lassen sich auch als vertriebsunterstützende Systeme im Accountmanagement, dem CRM oder bei der Verarbeitung von Kontakten zu Interessenten und potenziellen Neukunden im Rahmen des Leadmanagements nutzen.

Der Chatbot „Edward“ der Hotelkette „Radisson Blue“ bearbeitet Textanfragen (via SMS) der Übernachtungsgäste und dient der Erfüllung der so geäußerten „Kundenwünsche“. Standardfragen („Wann muss ich auschecken?“) werden damit ebenso abgedeckt wie die Aufnahme von Beschwerden, Auskünfte über nahegelegene Restaurants oder Serviceleistungen wie die Bestellung zusätzlicher Handtücher auf das Zimmer. Wichtig ist, dass dann auch semantische Unterschiede je nach Kontext erkannt werden, der Bot muss so etwa zwischen dem Wunsch eines Gastes nach Schreibpapier wie auch der aktuellen Tageszeitung – beides im Englischen „paper“ – differenzieren können. 

Andere Customer Service Bots haben Zugriff auf die hinterlegten Kundendaten und können durch den Rückgriff auf diese – wie ein menschlicher Gesprächspartner – einen individualisierten Kundensupport liefern, in der Versicherungsbranche etwa, um Rechnungen erneut auszustellen oder Bestätigungen zukommen zu lassen. In komplexeren Situationen kann der Bot dann den Prozess an einen menschlichen Mitarbeiter weiterleiten. Aufgabe des Chatbots „Lisa“ des Telekommunikationsanbieters O“ ist es, die Mitarbeiter im Kundenservice zu entlasten und bestimmte automatisierte Tätigkeiten eigenständig auszuführen. Dazu zählen etwa die Unterstützung der Kunden bei der Navigation durch das unternehmenseigene Kundenportal, zum Beispiel um die Höhe des noch verfügbaren monatlichen Datenvolumens einzusehen. „Lisa“ beruht auf der Anwendung maschineller Lernverfahren und lernt laut Unternehmensangaben auch aus den Praxiseinsätzen kontinuierlich hinzu.

Chatbots & Sprachassistenten im Vertrieb

Ebenso in der Vertriebsarbeit kommen zunehmend Chatbots und Sprachassistenten zum Einsatz. Salesforce, Anbieter von CRM-Softwarelösungen, hat mit „Einstein“ ein „Conversational CRM“ genanntes System geschaffen, das den Mitarbeitern im persönlichen und Keyaccount-Verkauf die oft als lästig empfundene schriftliche Berichtspflicht über den Inhalt und Verlauf der Kundengespräche erleichtern soll. Per „Natural Language Processing“ werden stattdessen akustische Sprachanweisungen und Äußerungen transkribiert und in das Berichtssystem übertragen. Auch Termine lassen sich auf diese Weise administrieren. Der Mitarbeiter kann sich dann regelmäßig per Voice-Nachricht über seinen Tagesplan und die Besonderheiten der zu bearbeitenden Kunden informieren lassen. 

Chatbots im Lead-Management

Auch im Bereich des Lead Nurturings können Bots einen hohen Beitrag zur Automatisierung der Sales-Aktivitäten leisten. Als virtueller „Kontakter“ sind diese geeignet, den Dialog mit Interessenten oder bereits gewonnen Kunden zu vertiefen und entsprechende Cross- und Up-Selling-Maßnahmen durchzuführen oder die Kundenbeziehung an sich zu „veredeln“, indem Präferenzen ermittelt und entsprechend systemseitig verarbeitet werden. Das setzt voraus, dass der jeweilige Gesprächspartner entweder bereits identifiziert ist oder dies dann innerhalb des Anwendungskontextes geschieht – mit Name und Adresse oder über eine vorhandene Kundennummer. Chatbots auf einer „Coporate Website“ eines Unternehmens können auf entsprechende Trackingmaßnahmen aufsetzen, die über Cookies oder „Trackingpixel“ den bisherigen Kontaktverlauf speichern und mit der hinterlegten CRM-Datenbank abgleichen. Darauf aufbauend kann individuell ein Kundendialog entsponnen werden, um neue Leads zu generieren oder die bestehende Beziehung auszubauen. Der Bot übernimmt diesen Prozess idealerweise autonom, allein auf der Basis der vorliegenden Daten und übermittelt die an einer „Conversion-Wahrscheinlichkeit“ ausgerichteten Informationen und Nachrichten an den Nutzer.

Derartige Anwendungen sind in dieser Leistungstiefe in der Praxis noch ganz am Anfang, gleichwohl gibt es hier erste Anbieter, die versuchen, dies perspektivisch als „Service von der Stange“ bereitzustellen, wie etwa Landbot.io.  Gleichwohl ist die automatisierte Erfassung von Kontaktdaten zu potenziellen Kunden aus einem Bot-Dialog und damit die Umwandlung von unstrukturierten zu strukturierten Informationen damit durchaus bereits etabliert. Chatbots ersetzen in diesem Fall das klassische „Kontaktformular“ und können daraus, ähnlich wie beim E-Mailmarketing, nach bestimmten ermittelten „Verhaltenszusammenhängen“ entsprechend segmentierte oder personalisierte Ansprachen ableiten. Auch, wenn diese oft noch auf menschlich definierten Regeln basieren, sind hier grundsätzlich auch Rückgriffe auf Machine und Deep Learning denkbar.

Chatbots in der Verhandlungsführung

Erste Versuche gibt es zudem damit, Bots auch in der Verhandlungsführung einzusetzen, wenngleich diese Bemühungen noch sehr am Anfang stehen. Die KI-Forschungsabteilung von Facebook („FAIR“) hat Bots dazu gebracht, miteinander zu „feilschen“. Trainiert wurde das System mit mehreren tausend menschlichen Verhandlungsdialogen, die man über die Crowdsourcing-Plattform Amazon Mechanical Turk erhob. Die Facebook-Forscher schufen eine Art Spiel, in dem verschiedenen Gegenständen ein Punktwert beimessen wurde, mit dem Ziel, die Bots darüber zu animieren, ergebnisorientiert über Bücher, Mützen, Basketbälle und ähnliches „zu verhandeln“.

Nachdem ein Bot den Wert eines Gegenstandes erfasst hatte, formulierte er daraus eine „Verhandlungsposition“ – beispielsweise „ich möchte alle Bücher“, weil diese den größten Wert im Vergleich mit den anderen Objekten aufwiesen. Basierend auf der Art und Weise, die das neuronale Netzwerk gelernt hatte, dass Menschen gewöhnlich verhandeln, gab es eine Kombination von Wörtern in einer bestimmten Reihenfolge aus, für die es die höchste „Belohnung“ prognostizierte. Danach generierte das System potenzielle Antworten des Handelspartners und berechnete die weiteren möglichen Optionen. Im Prinzip ähnelt diese Vorgehensweise stark dem Verfahren von Alpha Go.

Chatbots mit eigener Taktik

Indem das System seine Fähigkeiten anhand der Ausrichtung an Ergebnismaximierung verbesserte, lernte es nicht nur seine Forderungen entsprechend zu formulieren, sondern passte nach und nach auch seine Verhandlungstaktiken an. So täuschte die KI manchmal ein Interesse an einer Sache vor, nur um das Gegenüber auf die falsche Fährte zu locken und einen vermeintlichen „Kompromiss“ einzugehen, um mit dieser „Verschleierungstaktik“ aber ihr eigentliches Ziel günstiger  erreichen zu können.  Auch wenn für eine Anwendung in der praktischen Vertriebsarbeit  noch hohe Hürden bestehen – zum Beispiel müsste ein Unternehmen nicht nur das Produktportfolio und die Preismodalitäten, sondern auch die Gepflogenheiten sowie die Verhandlungsziele in einem solchen System individuell abbilden –  könnten solche Fähigkeiten perspektivisch den Einsatz von Bots im Kundendialog revolutionieren und auf eine ganze neue Basis stellen.

Der Artikel beruht auf dem Buch von Andreas Wagener Künstliche Intelligenz im Marketing – ein Crashkurs, Haufe, Freiburg, 2019

Mehr zum Thema hier:

Vortrag/Keynote von Prof. Dr. Andreas Wagener: „Ein neues Zeitalter im Marketing: Künstliche Intelligenz, maschinelle Kreativität, virtuelle Realitäten & DNA-Targeting„:

Mehr Informationen zum Thema KI im Marketing finden Sie im Buch von Andreas Wagener Künstliche Intelligenz im Marketing – ein Crashkurs, Haufe, Freiburg, 2019:

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