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Plattformregulierung durch Dateneigentum: Hürden und Ansätze (2/2)

Plattformregulierung Daten_2_Andreas Wagener

Plattformregulierung Daten_2_Andreas Wagener

Geht man davon aus, dass die Macht der großen Tech-Plattformen ihren Ursprung vor allem in der Sammlung von Daten und deren algorithmischer Auswertung hat, so sollte sich womöglich auch die Plattformregulierung entsprechend hieran orientieren. Während der erste Teil dieses Artikels sich mit den Grundlagen der Plattformmacht im „Überwachungskapitalismus“ beschäftigte, widmet sich dieser zweite Teil nun möglichen Alternativen zu den gegenwärtigen Regulierungsbemühungen. Diese setzen nicht bei den gegenwärtigen Marktverhältnissen, sondern bei den individuellen Datenverfügungsrechten an.

Plattformregulierung sollten nicht allein bei den Marktstrukturen ansetzen, sondern auch die Verfügungsrechte über die individuellen Daten miteinbeziehen. Schließlich gelten Daten doch als das Treibmittel der Plattformökonomie. Stärkt man die individuelle Datensouveränität, also die Rückführung der persönlichen und ökonomische Verfügungsgewalt an den Daten an die Plattformnutzer, so wird damit die Voraussetzung geschaffen, um Beschneidungen der Plattformmacht an ihren Wurzeln zu ermöglichen. Damit haben wir uns bereits auf diesem Blog beschäftigt.

Im akademischen Diskurs wurden in diesem Kontext bisher vor allem drei Lösungen erörtert:

  1. die Teilhabe der Nutzer an den ökonomischen Werten der Plattformen im Wege einer Vergenossenschaftlichung, was einer indirekten Kollektivierung des Dateneigentums und der Verwertungsentscheidungen darüber gleichkäme,
  2. die Sozialisierung des Dateneigentums selbst: Daten wären demnach zwingend öffentlich und Allgemeingut, es gäbe dann kein Privateigentum an Daten mehr und
  3. die absolute Privatisierung des Dateneigentums, im Sinne eines vollständigen Marktentzuges mittels moderner Verschlüsselungstechniken

Vergenossenschaftlichung von Dateneigentum

Der ersten Variante können unter anderem Vertreter der Denkschule des Akzelerationismus zugerechnet werden. Diese versuchen, dem Plattformkapitalismus das Prinzip der Plattformgenossenschaft entgegenzusetzen, um mittels der Dezentralisierung der Eigentumsstrukturen und der Implementierung demokratischer Entscheidungsprozesse ein Ausbrechen aus den Datenmonopolen und dem Kreislauf der „Lock-in-Effekte“ der bestehenden Plattformen zu ermöglichen. Doch ist ungewiss, ob solche Initiativen ausreichen, die Unwuchten auf den Märkten zu beheben. Zum einen stellt sich die Frage, wie der Größennachteil neuer Plattformen gegenüber den etablierten Marktführern ausgeglichen werden kann. Die Netzeffekte werden stets dafür sorgen, dass sich neue Nutzer überwiegend für die größeren Plattformen entscheiden. Zum anderen schützen kollektive Organisationsformen nicht per se vor Machtmissbrauch. Schließlich macht es kaum einen Unterschied, ob ein Gatekeeper aus einem kapitalistisch motivierten oder einem genossenschaftlichen Selbstverständnis heraus agiert. Für den an der Macht nicht beteiligten Nutzer spielt es allenfalls eine nachgelagerte Rolle, warum ihm ein bestimmtes Recht oder der Ressourcenzugang verwehrt bleibt.

Daten als öffentliches Gut

Auch die zweite Variante – die Sozialisierung des Eigentums an den Daten und ihre Umdeutung als öffentliches Gut – birgt Probleme. Auf den ersten Blick mag die Auflösung der faktischen Datenexklusivität der Plattformbetreiber zielführend erscheinen, beruht ihre Vormachtstellung, wie gezeigt, doch ganz wesentlich auf den Beständen an gehorteten Daten. Wenn diese nun für jedermann frei verfügbar wären, käme das dann nicht automatisch einer Aufhebung aller generierten Wettbewerbsvorteile und damit einer Korrektur der als schädlich empfundenen Machtstrukturen gleich? Vermutlich – so erwarten es auch die Befürworter eines solchen Ansatzes – würde an die Stelle des Wettbewerbs um die Daten der Wettbewerb der Algorithmen treten. Wenn sich aus Daten aber immer noch ein Wert erschaffen lässt – und das dürfte angesichts der Abhängigkeit der Digitalgesellschaft vom Rohstoff Daten kaum bestritten werden – so lassen sich dann weiterhin noch Wettbewerbsvorteile aus der effizienteren und effektiveren Verarbeitung generieren.

Genau dieser Aspekt sorgte zu Beginn des Jahrtausends für die aufkeimende Vormachtstellung Googles, als man sich gegen eine damals bestehende Vielzahl alternativer Suchmaschinen aufgrund der Lieferung „besserer“ Suchergebnisse durchsetzen konnte. Dieser Wettbewerbsvorteil dürfte ganz entscheidend auf den patentierten und damals bereits gegenüber der Konkurrenz überlegeneren Algorithmus zurückzuführen sein, der seinerzeit nicht nur allein, wie sonst damals üblich, auf Keyword-Basis funktionierte, sondern unter anderem bereits Verlinkungen und die Relevanz der verweisenden Webseiten bei den Ausspielungen der relevanten Suchergebnisse miteinbezog (das Pagerank-Verfahren von Google). Mit diesem Vorsprung gelang es Google seine heutige Monopolstellung (zumindest in Europa und weiten Teilen der Welt) auf den Suchmaschinenmärkten zu begründen. Die Voraussetzung grundsätzlich frei verfügbarer Daten war für alle Marktteilnehmer gleich, die „algorithmische Überlegenheit“ und die damit einsetzenden Netzeffekte sorgten für Googles Vormachtstellung. Insofern würde eine Sozialisierung des Dateneigentums vermutlich an den Symptomen ansetzen, jedoch nicht den Kern des Problems in den Fokus nehmen.

Privatisierung von Daten

Als Alternative zu den beiden verwertungsorientierten Ansätzen wird schließlich das Erfordernis einer „Regulation by Encryption“ (auch: „Privacy by Default” bzw. „Privacy by Design“), einer absoluten Privatisierung von Daten, ins Spiel gebracht, die zum Ziel hat, Daten grundsätzlich dem Verwertungskreislauf zu entziehen, indem ihre externe Verwendung durch Verschlüsselung unmöglich gemacht wird. In der politischen Praxis erweist sich die Durchsetzung entsprechender Ansätze allerdings als schwierig. Es mangelt dazu nicht zuletzt am politischen Willen in den Regierungen. Gerade erst in der Diskussion um den DSA zeigte sich eine entsprechende Diskrepanz der offiziellen Haltungen des EU-Parlamentes und des EU-Ministerrates. Letzterer wendet sich strikt gegen eine allgemeine Verschlüsselung und drängt hingegen schon seit längerem auf deutlich extensivere Zugriffsmöglichkeiten bei der Strafverfolgung und bei Fragen der inneren Sicherheit.

Abgesehen von der politischen Durchsetzbarkeit dieser Überlegungen, stellt sich hier auch die Frage, ob derartige Eingriffe tatsächlich sinnvoll und erstrebenswert sind. Technologisch käme das einem massiven Rückschritt, einer Rückkehr ins prädigitale Zeitalter, gleich. Mit dem Entzug der Datengrundlage würden schließlich auch als positiv zu betrachtende digitale Errungenschaften eliminiert. Bei aller angebrachter Kritik an den eingeschlagenen Entwicklungsrichtungen der digitalen Transformation gingen derartige Maßnahmen, die einer Negation der positiven Effekte des digitalen Fortschritts gleichkämen, wohl deutlich über das Ziel hinaus. Darüber hinaus würde einer zentralen Verpflichtung zur Verschlüsselung de facto eine Bevormundung und einem tiefen Eingriff in die Verfügungsrechte der Nutzer gleichkommen, die dann ja nicht mehr ungehindert über die Verwendung „ihrer“ Daten entscheiden könnten. Insofern erscheint auch diese Variante kaum sinnvoll umsetzbar.

Dezentralisierung von Datenmärkten als alternativer Ansatz zur Plattformregulierung

Eine Alternative zu den zuvor beschriebenen Ansätzen könnte in einer Dezentralisierung der Ressourcenmärkte bestehen. Gelänge es, die Zugriffsmöglichkeiten der Plattformen als bestimmende Mittelsmänner an dieser Stelle zu beschneiden, so erschiene damit grundsätzlich auch eine Restitution der Datenmacht möglich – ohne einerseits bei den organisationalen Eigentumsrechten oder andererseits bei der Rechtsnatur der Daten selbst anzusetzen bzw. deren Verkehrsfähigkeit einzuschränken.

Dazu bedürfte es eines unabhängigen und transparenten Marktsystems, welches garantiert, dass die Verwendung und Verarbeitung von Daten zurückverfolgt, dokumentiert und auf Rechtmäßigkeit überprüft werden kann. Dieses müsste an die Stelle der bisherigen zentralen Marktorganisation durch die Plattformen treten. Nicht jedoch die Eigentumsverhältnisse, sondern der Zugriff und die Organisation der Datenverwertung stünden im Mittelpunkt eines solchen Konzeptes. Damit ginge es tatsächlich um den Kern der Daten-souveränität: die Kontrolle des Einzelnen über den eigenen Datenfundus. Zwar sehen die Regelungen des europäischen Datenrechtes dies dem Grundsatz nach durch das individuelle Zustimmungserfordernis zur Informationsverarbeitung bereits vor. Es mangelte bislang jedoch an der Durchsetzungsfähigkeit der persönlichen Dateninteressen: Im Zweifelsfall erfolgte der schnelle Klick auf die Annahme der von der Plattform vorgegebenen Bedingungen – aus Mangel an Alternativen. 

Produktions- und Vermarktungsgenossenschaften für Daten als Mittel der Plattformregulierung

Verstanden als eine übergreifende „Produktions- und Vermarktungsgenossenschaft“ – keine „Eigentümergenossenschaft“ – aus gleichberechtigten Teilnehmern, die durch ihr Nutzungsverhalten Daten erzeugen und diese, zwar dezentral, aber aus einer abgestimmten und damit gestärkten Position heraus vermarkten, wäre es möglich, die Verhältnisse auf den Plattformmärkten umzukehren: Über den Rohstoff Daten und dessen Distribution entscheidet nun nicht mehr der Plattformmonopolist, sondern die Nutzer als „Lieferanten“. Statt Leidtragende eines fortwährenden Enteignungsprozesses zu sein, könnten diese durch eine Aufwertung der eigenen Verhandlungsmacht angemessene Preise für die durch sie erzeugte Wertschöpfung festlegen. Dies entspräche im Prinzip einer Verwertungsgesellschaft für Daten, wie wir sie aus anderen Bereichen der Monetarisierung geistigen Eigentums kennen (z.B. GEMA), allerdings mit deutlich weitgehenderen Individualisierungsoptionen für spezifische Verwendungsfälle und Verwertungsberechtigte.

Plattformregulierung: Daten als non-fungible Tokens (NFT)

Umsetzen ließe sich dies mittels der Distributed Ledger– bzw. Blockchain-Technologie, die hinter dem Bitcoin-System steht und beim Handel immaterieller Werte als non-fungible Tokens (NFT) in der Vergangenheit bereits großflächig zum Einsatz kam. Digitale Güter, zu denen auch Daten gehören, werden damit trotz ihrer Duplizierbarkeit und Immaterialität übertragbar, da der Zugriff auf sie und jede ihrer Transaktionen durch ein dezentrales Netzwerk (anstelle eines zentralen Gatekeepers) unveränderbar dokumentiert wird. Ungezügeltes und manipulatives Verwenden ließe sich damit öffentlich und transparent nachvollziehen. Diese Verfahren werden bereits etwa bei der Übertragung von Nutzungsrechten in der Musikwirtschaft oder auch in der programmatischen Onlinewerbung erprobt. Es könnte auch für eine Restitution des privaten Dateneigentums in der Plattformökonomie Verwendung finden.

Zudem ließe sich damit auch ein Anknüpfungspunkt für nachhaltige regulative Eingriffe erzeugen, etwa für den Fall, dass die Nutzer trotz dieser Regelungen, zum Beispiel aufgrund intransparenter Wertschöpfungsketten der Plattformen, nicht in der Lage sind, den eigentlichen Wert ihrer Daten zu ermessen oder diesen preislich durchzusetzen: Analog zum Mindestlohn für den Faktor Arbeit könnte man auf diese Weise als zusätzlichen Schutzmechanismus auch ein Mindestentgelt für personenbezogene Daten festlegen.

Daten als geldwertes Gut

Die Vorteile einer solchen Lösung sind breit gefächert: Zunächst würde dies erstmalig eine Partizipation aller an der Wertschöpfung ermöglichen, auch derjenigen, die bislang aus einer eigentlich schwachen Marktposition heraus agieren mussten. Bereits jetzt werden per „Vertrag“ die Nutzungsrechte an den Daten an die Plattformen übertragen. Die gewährte Gegenleistung besteht jedoch allein in der Berechtigung zur Teilnahme an den Plattformdiensten. Eine zusätzliche verpflichtende Entgeltung der Datenverwendung durch algorithmische Regulation würde die Position sämtlicher weiterer Beteiligter deutlich aufwerten. Alle profitierten damit von zukünftiger datenbezogener Wertschöpfung, nicht mehr allein der Plattformmonopolist.

Gleichzeitig werden mit einem solchen Ansatz auch Anreize für die Plattformbetreiber geschaffen, die Daten zielgerichteter zu verwenden. Ein anlassunabhängiges Datensammeln muss aus ökonomischen Gründen gut überlegt sein. Klassische Big Data-Ansätze, die bisher verfolgt wurden, um für die ausreichende Datenbasis zu sorgen, die für Verfahren des maschinellen Lernens notwendig sind – etwa die Identifizierung von Musterbildungen im Rahmen des unsupervised Learnings  – führten dann je nach Peis, der für einen Datensatz zu entrichten ist, zur Frage nach dem „Return On Invest“. Dabei wäre natürlich denkbar, grundsätzlich zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller Nutzung zu unterscheiden.

Schaffung von „algorithmischer Verantwortung“ als Grundlage der Plattformregulierung

Ferner ließen sich damit – zumindest in Ansätzen – auch die gesellschaftlichen Auswüchse der Plattformökonomie ins Visier nehmen. Durch den Rückgriff auf das Blockchain-Verfahren wäre ebenso die Transparenz der Datenverwendung gegeben, weil diese schließlich auch Bedingung der Monetarisierung ist. Damit wäre es möglich, gezielt algorithmischen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Welche Daten wo zum Einsatz kämen und welche Auswirkungen darauf basierende algorithmische Prozesse haben, könnte erfasst und deutlich effizienter als bisher untersucht werden. Auch die Voraussetzungen einer datenbasierten Zuweisung „algorithmischer Verantwortung“ würden damit geschaffen. Nicht zuletzt aber träfe man damit aber auch den Überwachungskapitalisten an seiner verwundbarsten Stelle: Mit der beschriebenen Individualisierung des „Produktionsmittelzugangs“ entzöge man ihm die Grundlage für sein monopolistisches Wirken. Damit könnte dann auch eine Wiedereingliederung in ein System gesellschaftlicher „checks & balances“ einhergehen.

Plattformregulierung neu gedacht

Das jahrelange Ringen von Politik und Gesellschaft mit der Plattformmacht hat bis heute nicht zu einem Konsens über die angemessene Umgangsweise geführt. Neben der laxen marktliberalen Haltung früherer Jahre finden sich inzwischen auch deutlich restriktivere regulative Vorschläge. Teilweise wird auch die Frage gestellt, ob es sich bei den Plattformen nicht eigentlich um „natürliche Monopole“ handele, und ob diese überhaupt marktkonform behandelt bzw. organisiert werden sollten. Denn viele der Plattformleistungen seien als Teil der „digitalen Grundversorgung“, ähnlich wie Energie- und Wasserversorgung, im Kern „öffentliche Güter“. Daher müsse staatlicherseits anstelle der Plattforminfrastruktur für den Aufbau einer gemeinnützigen, öffentlichen digitalen Infrastruktur gesorgt werden – faktisch würde dies einer Verstaatlichung der Plattformleistungen gleichkommen.

Noch schwerer als bei der Betrachtung der ökonomischen Effekte tut man sich bei den gesellschaftlichen Auswirkungen. Hier stellt sich grundsätzlich die Frage, ob Hasskriminalität und gesellschaftliche Tribalisierung tatsächlich originär den Plattformen anzukreiden ist. Es ist müßig darüber zu diskutieren, ob diese Entwicklungen Auswirkungen der Plattformbeschaffenheit – ursprünglich verband man mit der Digitalisierung und Vernetzung schließlich nicht zuletzt auch eine als äußerst positiv empfundene Demokratisierung öffentlicher Kommunikation – oder nicht eher Symptome einer generellen gesellschaftlichen Degeneration sind, die durch externe Faktoren – Covid19, Globalisierung, Klimawandel – zusätzlich befeuert wird. Vor allem aber ist ungeklärt, ob diesen zweifelsohne bestehenden Problemen überhaupt mit regulativen Eingriffen begegnet werden kann. Eine strikte Anwendung der bestehenden Gesetze einerseits und die Stärkung der jahrzehntelang vernachlässigten Medien- und Digitalkompetenz andererseits erscheinen mit distanziertem Blick adäquater.

Plattformregulierung durch die Schaffung von Anreizen

Anders verhält es sich allerdings mit den algorithmischen Steuerungsmechanismen auf den Plattformen. Unbestreitbar nehmen die Plattformen eine Stellung ein, die ihnen nicht nur eine ökonomische Bedeutung, sondern auch eine hohe gesellschaftliche Relevanz beimisst. Die verwendeten selbstlernenden Algorithmen verstärken die oben genannten Effekte unzweifelhaft, auch begründen sie maßgeblich die Machtposition der Plattformbetreiber, die ihre – mitunter deshalb als parasitär einzustufenden – Geschäftsmodelle auf diese Weise zur vollen Entfaltung bringen können. Nachdem es kaum möglich erscheint, regulativ bei den Algorithmen selbst anzusetzen, muss der Fokus auf der vorgelagerten Wertschöpfungsstufe der Datenressourcen liegen. Die Diskussion um den Wert und die Bedeutung von Daten in unserer zunehmend digitalen Welt führen wir schon lange. In Bezug auf die Plattformmacht wird sie nochmals dringlicher, sie ist der Schlüssel bei der Suche nach möglichen erfolgversprechenden regulativen Ansätzen. Wenn es gelingt, das Eigentum an den Daten zu dezentralisieren und als bürgerliches Grundrecht zu implementieren, schafft man Anknüpfungspunkte für effektive Maßnahmen dr Plattformregulierung. Die größte Herausforderung dürfte dabei jedoch die Schaffung eines entsprechenden Bewusstseins sein – nicht nur in der Politik, sondern auch beim einzelnen Bürger.

Plattformregulierung und die Gestaltung der digitalen Zukunft

Die Schwierigkeit der Plattformregulierung besteht darin, dass Lösungen hier nicht nur für laufende, sondern auch für zukünftige Entwicklungen „mitgedacht“ werden müssen. Das kürzlich von Facebook ausgerufene „Metaverse“ reichert den Plattformgedanken um eine neue visuelle und auch potenziell haptische Ebene an, was regulative Regeln einem zusätzlichen Test unterziehen dürfte. Das Prinzip der Netz- und Lock-In-Effekte bestimmt heute bereits die Entwicklungssystematiken der mRNA-Impfstoffe – die man durchaus auch als Bio-Plattformen betrachten kann. Und selbst die zukünftige „Bewirtschaftung“ des Weltraums wird sich an der Generierung von Standards orientieren, wie man bereits jetzt bei den Bestrebungen der Plattformunternehmer Jeff Bezos (Amazon/Blue Origin) und Elon Musk (Tesla/Starlink) beobachten kann. Daten, informationelle und immaterielle Güter spielen dabei immer eine entscheidende Rolle. Sie bilden – bei allen Investitionen in Sachwerte, die damit einhergehen – die Basis für die erfolgreiche Erschließung neuer Märkte und sind damit auch stets maßgeblicher Treiber gesellschaftlichen Wandels.

Maßnahmen der Plattformregulierung sollten also insbesondere an dieser Stelle ansetzen.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Artikel „Algorithmic Regulation“ und Dateneigentum: ökonomische und gesellschaftliche Handlungsoptionen der Plattformregulierung, aus dem Sammelband „Die Digitalisierung des Politischen. Theoretische und praktische Herausforderungen für die Demokratie“, herausgegeben von Andreas Wagener und Carsten Stark, Springer VS, 2023

Dies ist der zweite Teil des Artikels „Plattformregulierung durch Dateneigentum“. Den ersten Teil Plattformregulierung durch Dateneigentum: den Überwachungskapitalismus umkehren finden Sie hier.

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Mehr zum Thema: Vortrag/Keynote von Prof. Dr. Andreas Wagener: „Von Cyborgs und Digitalen Lebewesen: Wie generative KI&VR menschliches Leben (und Sterben) verändern“:

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