Die Verwendung von Daten in Marketing und Vertrieb ist nicht nur auf Tracking- und Targetingmaßnahmen beschränkt. Mit der zunehmenden Digitalisierung geht auch in diesem Feld eine Automatisierung der Verfahren einher. Der Begriff „Marketing Automation“ umschreibt allgemein die automatisierte Ausführung von wiederkehrenden Marketingmaßnahmen, vor allem im Bereich der Online- bzw. „digitalen“ Kommunikation.
Drei Kernbereiche der Marketing Automation
Grundsätzlich ist es möglich, Marketing Automation in drei einzelne Segmente zu unterteilen:
- Marketing Workflow Management,
- Marketing Intelligence und – der vielleicht wichtigste Teil –
- Marketing Dialogue Processing
Marketing Workflow Management
Marketing Workflow Management bezieht sich auf die Automatisierung der internen Marketingprozesse. Dazu gehört beispielsweise die Projektsteuerung im Marketing- und Vertriebsumfeld, also das zuweisen von Arbeitspaketen, die automatisierte Erinnerung und die Überprüfung von zu erreichenden „Milestones“ u.ä. Ebenso zählen dazu die autonome Überwachung der Budgettreue sowie der entsprechende Abgleich mit der Erfolgskontrolle auf Grundlage entsprechender Datensysteme. Auch das Management der Werbemittel und -formate („Advertising Assets“) erfolgt im Rahmen mechanisierter Workflows. Das spielt insbesondere beim Programmatic Advertising eine entscheidende Rolle. Die Steuerung der Auslieferung von Werbemitteln erfolgt heute in aller Regel über einen sogenannten „Adserver“, womit sowohl die entsprechende Hardware als auch die Software umschrieben wird, die für das Management der Werbeausspielung verantwortlich ist. Der Adserver stellt die exakte Auslieferung der vereinbarten „Kontingente“ an Ad-Impressions sicher und bildet dabei auch die Nutzer-spezifische Aussteuerung der Ansprache ab. Ein menschliches Eingreifen bei der Platzierung der Werbeformate ist damit, wenn einmal die Parameter festgelegt wurden, nicht mehr notwendig.
Marketing Intelligence
Marketing Intelligence beschreibt das automatisierte Sammeln und die Auswertung von Userdaten. Darunter fallen sämtliche „im Hintergrund“ ablaufende Tracking- und Targetingmaßnahmen, die Auswertung der Surfhistorie von Nutzern, die Erfassung und Aufbereitung von Öffnungsraten, die Analyse von Stamm- und Kundendaten sowie letztlich die Verknüpfung aller dieser Informationen zu aussagekräftigen Kennzahlen und Reportings im Sinne eines Big- oder Smart-Data-Ansatzes.
Marketing Dialogue Processing
Marketing Dialogue Processing erfasst hingegen das automatisiertes Abwickeln und/oder Steuern des Kundendialogs. Dieser Bereich kann also als eine Automatisierung des Kundenbeziehungsmanagements („Customer Relationship Management“, CRM) verstanden werden. Dazu gehört etwa auch das Sicherstellen eines funktionierenden „Closed Loop Marketings“, bei dem das operative mit dem analytischen CRM verbunden wird: Auf Basis zuvor gesammelter Daten zu aktuellen und potenziellen Kunden sowie zu den von diesen verwendeten Kommunikationskanälen gilt es dabei, die Kundenbedürfnisse sowie Muster im Kundenverhalten zu erkennen und daraus die notwendigen Marketingmaßnahmen abzuleiten, deren Einfluss und Wirkung im Anschluss wiederum untersucht und optimiert werden.
Closed Loop & CRM
Durch diese fortwährende Verknüpfung von analytischer und operativer Tätigkeit entsteht ein geschlossener Regelkreis, dessen inhaltliche Bestandteile Modulcharakter aufweisen und dessen Abläufe sich automatisieren lassen. Im eMail-Marketing ist es zum Beispiel möglich, aufgrund der zuvor bekundeten Themeninteressen eines Nutzers – etwa weil sich dieser bestimmte Inhalte oder Produkte angesehen hat – individualisierte eMail-Newsletter automatisiert, also ohne, dass dabei noch das Eingreifen eines menschlichen Redakteurs vonnöten wäre, zu erstellen.
Messbarkeit der Resonanz
Die Reaktionen der jeweiligen Nutzer auf diese Aussendung lassen sich wiederum messen. Dabei werden unter anderem Antworten auf folgende Fragen gesucht: „Wurde die zugestellte eMail durch den Empfänger geöffnet?“, „Wenn ja, auf welche Inhalte wurde geklickt?“, „Was hat ihn also besonders interessiert?“ und „Wie ist der Adressat dann weiter verfahren?“. Die daraus ableitbaren Maßnahmen lassen sich im Vorfeld „programmieren“. So ist es möglich, allen Empfängern, die die eMail nicht geöffnet haben, automatisiert nach einer gewissen Karenzzeit die Nachricht erneut zuzustellen. Erfolgt dann immer noch keine Reaktion, so muss ggf. eine neue inhaltliche Ausrichtung erfolgen. Die „Öffner“ hingegen werden hinsichtlich ihres Nutzungsverhaltens unter die Lupe genommen: Ziel ist es, hier möglichst wenig Anschlussverluste zu erleiden, also die Nutzer dazu zu bewegen, den weiterführenden Klick auf die dargebotenen Inhalte zu tätigen. Auch diese Verhaltensweise fließt mechanisiert in die Ausgestaltung der kommenden Aussendungen ein.
Vernetzung der Einzelsysteme
Wurden in der eMail zum Beispiel Produkte eines Onlineshops angepriesen, so ist dann entscheidend, ob es in der Folge zu einem Abschluss kam. Ist dies der Fall, so kann eine Verknüpfung der Kommunikationsdaten mit den Sales- und Adressdaten stattfinden, die sich IT-seitig in einer Verknüpfung von eMail-Marketingsystem, CRM-System sowie der Buchhaltungs- und ERP-Software widerspiegelt. In einem intelligenten, geschlossenen Marketing-Loop werden in einer nächsten Runde dem Kunden dazu passende, womöglich komplementäre Angebote zu seiner letzten Transaktion automatisiert unterbreitet, deren Erfolg wieder entsprechend überprüft wird. Im Idealfall entsteht somit ein Kreislauf, der sich selbst optimiert und steuert.
Lead Generation & Lead Management mit Marketing Automation
Anwendung findet dieses Prinzip auch im „Lead Management“, dem Management von Verkaufs- und Kundenkontakten. Der Begriff „Lead“ (zu Deutsch „Spur“) steht dabei für einen qualifizierten Datensatz zu potenziellen Kunden, die sich aufgrund eines an spezifischen Themen gezeigten Interesses als vielversprechender Verkaufskontakt identifiziert haben. Klassischerweise erfolgt die Generierung von Leads über sogenannte „Whitepaper“, qualitativ hochwertige „Fachartikel“, die sich der Lösung eines spezifischen Einkäuferproblems widmen, jedoch nicht von einer entsprechenden Redaktion eines unabhängigen Mediums, sondern von den Anbietern derartiger Lösungen bereitgestellt werden.
Köder für Registrierung, verschiedene Leadlevel
Diese Inhalte platziert man im Netz, um sie gewissermaßen als „Köder“ auszulegen. Der Zugriff ist meist nur nach vorheriger Registrierung möglich, so dass die Anbieter auf diese Weise an die Kontaktdaten der Interessenten gelangen. Statt eines Whitepapers werden auch Webinare, Gruppenzugänge in Social Media oder traditionelle Messen für Lead Generierung genutzt. Lead Management umfasst dabei den gesamten Prozess der Lead Generierung und des „Lead Nurturings“, der Pflege und Weiterentwicklung von Leads zu qualifizierten Kontakten, je nach Qualifizierungsgrad und daraus abgeleiteter Abschlusswahrscheinlichkeit zu „Marketing Qualified“, „Sales Qualified“ und „Sales Accepted“ Leads.
Mechanisierung der Kundengewinnung mit Marketing Automation
Auch dieser Prozess lässt sich bis zur Übergabe (und nicht selten auch darüber hinaus) der zu Kunden umgewandelten Kontakte an das CRM-System fast vollständig automatisieren. Dabei wird stets auf Basis des Status‘ des jeweiligen Interessenten, seiner aufgezeichneten Reaktionen zu den jeweiligen Stufen der Kontaktanbahnung und seiner ermittelten Budgetausstattung und -befugnis der nächste, „maßgeschneiderte“ Kommunikationsschritt festgelegt. Nicht nur die Wahl der Kommunikationsmaßnahmen, auch konkrete – und nicht selten automatisierte – Handlungsanweisungen zu Art und Intensität der Betreuung durch den Vertrieb bemessen sich hieran. Auf diese Weise ließe sich letztlich die gesamte Steuerung der Kundengewinnung sowie von Marketing und Vertrieb in diesem Bereich mechanisieren.
Chat Bots als neues Form der Marketing Automation
Die fortschreitende Entwicklung in der Digitalisierung und die damit steigende Kompetenz im Umgang mit Daten führt zu zunehmend intelligenteren Kommunikationsautomatismen. Immer öfter werden heute grundlegende Aufgaben des Kundendialogs auf sogenannte „Chat Bots“ ausgelagert, digitale Dialogsysteme, über die sich in natürlicher Sprache kommunizieren lässt. Meist erscheinen diese in Form eines klassischen „Messengers“ wie WhatsApp oder der Chatversion von Facebook („Facebook Messenger“) und bestehen aus einer simplen Textmaske, die für die Nutzereingaben und die systemseitigen, computergenerierten Antworten genutzt wird. Grundsätzlich sind aber auch Anwendungen für das gesprochene Wort denkbar, vergleichbar mit Apples Sprachsteuerungsfunktion „Siri“ oder den autonomen Haushaltslösungen „Amazon Alexa“ oder „Google Home“, mit denen man tatsächlich schon nahezu „richtige Gespräche“ führen kann.
Digitale Assistenten im Kundenkontakt
Die US-Modekette „Macy’s“ bietet ihren Kunden den digitalen Assistenten „Macy’s On Call“ an, der dabei helfen soll, sich im Laden vor Ort zurechtzufinden. Der Bot versteht auch „unstrukturierte“ Textanfragen, wie „Wo finde ich Schuhe?“, und liefert daraufhin die korrekte Antwort. Ein anderes Anwendungsbeispiel stellt „Lisa“, der „Learning Intelligent Sales Agent“, des deutschen Unternehmens „The Saas Co.“ dar. Dieser soll die Arbeit im Vertrieb intelligent unterstützen, indem bestimmte wiederkehrende Sales-Tätigkeiten automatisiert abgebildet werden. Wird ein Kunde durch einen Verkäufer kontaktiert, setzt dieser den Bot als Nebenempfänger in seiner Antwortmail auf „cc:“. Die dahinterliegende Software analysiert dann im Hintergrund die daraufhin eingehenden eMails und ordnet diese automatisch nach positiven und negativen Antworten oder Abwesenheiten. Des Weiteren soll „Lisa“ adäquate Antworten im Kundendialog vorformulieren und eigenständig relevante Informationen für den Gesprächspartner zusammenstellen können.
Chatbots als Vorläufer Künstlicher Intelligenz
Immer öfter sind diese Bots in der Lage, aus vorausgegangenen Aktionen sowie aus den damit verknüpften Daten zu „lernen“ und dürfen damit getrost als Vorläufer „Künstlicher Intelligenz“ beschrieben werden. Gerade diesem Feld wird heutzutage eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, so dass hier in den nächsten Jahren von erheblichen Entwicklungssprüngen in der Marketing Automation ausgegangen werden kann.
Der Beitrag ist ein Exzerpt aus:
Wagener, Andreas (2018): Marketing 4.0 In: Wolff, Dietmar / Göbel, Richard (Hrsg.). Digitalisierung: Segen oder Fluch. Wie die Digitalisierung unsere Lebens- und Arbeitswelt verändert, http://www.springer.com/de/book/9783662548400
Mehr zum Thema Künstliche Intelligenz & Chatbots hier:
Prof. Dr. Andreas Wagener. Professur für Digitales Marketing: eCommerce & Social Media, Hochschule Hof
Industrie 4.0, Datenökonomie und Künstliche Intelligenz: Wie Daten und Algorithmen Wirtschaft und Gesellschaft verändern:
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