Neujustierung des medienunternehmerischen Selbstbildnisses als Antwort auf die Fragmentierung der Zielgruppen: Zielgruppenfragmentierung und Mediaplanung im digitalen Zeitalter (6/7)

Das Problem der Fragmentierung berührt den Kern des Selbstverständnisses von Medienunternehmen. Wenn Rezipienten einfach „überall“ Information konsumieren und dieser Mediengebrauch somit keineswegs nur an das eigene Medium gebunden ist, so stellt sich die Frage, ob es nicht eines grundlegend anderen Verständnisses medialer Wertschöpfung bedarf.

Im sechsten Teil der Reihe „Zielgruppenfragmentierung und Mediaplanung im digitalen Zeitalter“ beschäftigen wir uns mit der Notwendigkeit zur  Neuausrichtung des unternehmerischen Selbstbildes von Medienunternehmen. 

Auswirkung der Zielgruppenfragmentierung: Neujustierung des unternehmerischen Selbstbildes und der medialen Wertschöpfung?

Jedes Geschäftsmodell sollte sich an den Bedürfnissen potenzieller Kunden ausrichten. Im (mindestens) „dualen“ Medienmarkt heißt dies auf der einen Seite: Rezipienten helfen, entsprechend ihrer Nutzungssituation an Informationen und andere Inhalte zu gelangen. Auf der anderen Seite gilt es, für Werbekunden den Kontakt zu den Adressaten ihrer Botschaften herzustellen, wobei hier auch immer öfter der Erfolg belegt werden muss, was bedeutet, dem Kunden auf „seiner“ Wertkette viel weiter entgegen zu kommen, als dies früher der Fall war. Nicht mehr nur die „Chance eines Kontaktes“ ist Abrechnungsgröße, sondern auch die entsprechende Abschlusswahrscheinlichkeit, die „Konversion“ des Kontaktes in einen Kunden und Käufer. Entsprechend verschieben sich auch die Abrechnungsmodalitäten zwischen Werbungtreibenden und Medien immer mehr in Richtung Erfolgswirksamkeit, so dass eine Entlohnung des Medienanbieters inzwischen nicht selten nur noch auf Grundlage von Interaktion oder sogar als Provision aus dem schließlich generierten Verkaufsumsatz erfolgt (etwa bei Affiliatewerbung).

Werden Medienprodukte noch gebraucht?

Wenn die Beziehung zwischen Medienanbieter und Werbungtreibenden aber schließlich nur noch in der Zuführung und Gewinnung von Kunden für die Letzteren besteht, verändert sich damit auch das mediale Geschäftsmodell in seinen Grundfesten. Vor allem im digitalen Umfeld, wo „Paid Content“ bei weitem nicht flächendeckend, sondern nur dann funktioniert, wenn eindeutige, festumrissene, oft „unique“ Leistungen damit verbunden sind, führen diese erschwerten Bedingungen auf der einen Seite des dualen Marktes dazu, dass auf der anderen Seite auf diese Weise potenziell „jedes Mittel recht“ wird, das der Schöpfung von qualitativ hochwertigen Kontakten dient. Wenn aber darin, der Qualifizierung dieser Kontakte sowie in deren Verkauf, die Kernaufgabe eines Medienanbieters besteht, führt dies in letzter Konsequenz zu der Frage, ob überhaupt noch ein physisches oder digitales Medium notwendig ist, um den Geschäftszweck zu erfüllen. Wenn sich die Zielgruppen entlang der oben beschriebenen Dimensionen fragmentieren, ist es nicht nur egal, woher qualifizierte Kontakte stammen, sondern für Medienunternehmen auch essentiell überlebensnotwendig, dass sich das „Kontaktschürfen“ nicht auf die eigenen grundsätzlich quantitativ und qualitativ beschränkten Medienangebote reduziert.

ROI Statt Medienmarke

Die Ausrichtung an den Bedürfnissen der Kunden bedeutet, dass Medienunternehmen sich nicht mehr über ihr Angebot an Medien oder Medienmarken definieren, sondern über die tatsächlich erbrachte Leistung für ihre Kunden. Dort wo dies über reine Reichweitenbeschaffung hinausgeht und die direkte Verkaufswirksamkeit von Werbung und Kommunikation im Fokus steht, muss die „Kontaktschürfung“ abgestimmt auf die bereits beschriebenen Fragmentierungsdimensionen erfolgen: Um tatsächlich die für die Beantwortung einer Kommunikationsfrage relevanten Zielkontakte zu erreichen und anzusprechen sollte die Kontaktanbahnung zu den Rezipienten plattformübergreifend erfolgen, dabei gibt nicht allein das Umfeld den Ausschlag, sondern auch die Inhalte und deren Aufbereitung, die genutzten unterschiedliche Formate, sowie das spezifische Nutzungsverhalten der Zielpersonen und peer groups.

Individueller Medien-Long Tail

Gewissermaßen geht es dabei um einen ganz eigenen „Medien“-Long Tail: Die Chance für Medienunternehmen liegt abseits des Mainstreams, in der Aggregation der Splittergruppen und ihrer singulären Motive, wobei paradoxerweise in der fragmentierten digitalen Umwelt diese „Splittergruppen“ in der Summe die überwältigende Mehrheit der Rezipienten ausmachen. Medienanbieter müssen daher ihre Köder auf allen Ebenen auslegen: im Facebookprofil, im Youtube Channel, via Twitter-Account, bei Instagram und über andere, auch nicht-digitale Kanäle. Das eigene Medium, die eigene Website oder das eigene Printprodukt, sind dabei, wenn überhaupt, nur ein Kanal von vielen. In Anbetracht der Fragmentierung ist allerdings fraglich, ob sich dann der Betrieb eines eigenen Mediums noch lohnt oder ob diese Leistungserbringung überhaupt eines eigenen Mediums bedarf.

Der nächste Teil der Reihe (7/7) beschäftigt sich mit der „Tribalisierung der Zielgruppen“ und dem „Influencer-Marketing“ als mögliche Antwort darauf.

3 Gedanken zu „Neujustierung des medienunternehmerischen Selbstbildnisses als Antwort auf die Fragmentierung der Zielgruppen: Zielgruppenfragmentierung und Mediaplanung im digitalen Zeitalter (6/7)

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