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Virtual Commerce im Metaverse

V-Commerce im Metaverse

Commerce im Metaverse

Auch wenn noch Uneinigkeit herrscht, was eigentlich genau unter dem „Metaverse“ zu verstehen ist und welche Zielvision sich auf diesen Märkten durchsetzen wird, bieten sich in den entstehenden virtuellen Welten bereits jetzt zahlreiche Möglichkeiten im eCommerce tätig zu werden. Die verschiedenen Optionen sollen hier dargestellt und zusammengefasst werden.

Gemäß einer als für den deutschen Markt repräsentativ deklarierten Studie von Deloitte können 55% der Befragten sich grundsätzlich vorstellen, Güter im Metaverse zu erwerben. Da der Begriff des Metaverse noch nicht abschließend geklärt ist – eine Einordnung zu den verschiedenen Begriffsdimensionen und Erscheinungsformen findet sich hier – erscheint diese Zahl doch erstaunlich hoch. Diese legt nahe, dass sich Unternehmen, die neue Absatzkanäle suchen oder sicherstellen wollen, dass Sie bei diesem Trendthema nicht abgehängt werden, mit eingehender dem Thema des „V-Commerce“ befassen müssen. Dieser Beitrag versucht daher die bisherigen Ansätze zu erfassen und zu bewerten.

Im Prinzip lassen sich die Commerce-Aktivitäten im Metaverse-Kontext – wir folgen einem breiteren Ansatz – in drei Kategorien untergliedern

  1. Virtuelle Verkaufsflächen
  2. Die Kombination von virtueller und physischer Sphäre
  3. Die Erschaffung eigener Welten zur Kundenbindung und Markenbildung

Diese sollen im Folgenden jeweils kurz beschrieben und erläutert werden:

1. Metaverse im eCommerce nutzen: Virtuelle Verkaufsflächen

In der Tat bieten virtuelle Welten wie The Sandbox oder Decentraland den Kauf von „Immobilien“ in ihrer Sphäre an, die als Verkaufsflächen genutzt werden können, wobei die Preise sich – wie in der physischen Welt – streng nach marktwirtschaftlichen Kriterien bemessen und, je nach Lage, nicht selten in die Millionen gehen. Samsung hat seine Verkaufsfiliale in Manhattan in Decentraland nachgebaut, die mit dem Nutzeravatar virtuell besucht werden kann und die Metaverse-Plattform CEEK hat am Beispiel H&M die Studie eines „begehbaren“ Stores errichtet, in dem potenzielle Kunden die Ware in Augenschein nehmen und erwerben können. Auch ganze Malls sollen im virtuellen Raum entstehen, die einer Vielzahl von Geschäften an zentralisierter Stelle Platz bieten. Daneben gibt es Ansätze, die losgelöst von bestehenden Plattformen existieren sollen, sich aber auch leicht zu einem späteren Zeitpunkt auf diesen integrieren lassen, wie etwa der „virtual in-person pop-up Crib-Store“ der Firma Babylist, die dort Kinderwagen und Babyausstattung feil bietet. Dabei steht selten nur ein Abbild eines physischen Ladengeschäfts im Mittelpunkt der Konzepte. Meist können auch virtuelle Produkte oder Ergänzungen zum bestehenden analogen Programm erworben werden. Des Weiteren dienen die Auftritte der Vermittlung weiterführender marken- und produktbezogener Inhalte sowie der Durchführung von Verkaufsaktionen und Events.

Shopping im Facebook-Metaverse?

Doch auch denjenigen, die derartige Investitionen scheuen, eröffnen sich Perspektiven, um am Handel im Metaverse zu partizipieren. Denn ebenso die Plattformbetreiber selbst denken an den Aufbau von Retailstrukturen – analog der bekannten Funktionsweise der App-Ökonomie. Meta etwa plant als Intermediär den Vertrieb von virtuellen und physischen Produkten zu organisieren und von den Anbietern und „Creators“ entsprechende Provisionen (25% auf der eigenen VR-Plattform Horizon) aus den Verkäufen zu erheben. Relevant in diesem Kontext ist ein Facebook-Patent aus dem Jahr 2019. Demnach beabsichtigt Meta, Angebote in virtuellen Shops zu personalisieren – maßgeschneidert zum individuellem Nutzerprofil. Analog den programmatischen Werbeverkaufssystemen bei klassischen Facebook-Anzeigen könnten Werbetreibende über ein normiertes Interface Gebote für die Ausspielung ihrer Produkte festlegen und die anvisierten Zielgruppen anhand hinterlegbarer Merkmale zusätzlich targetieren. Damit wäre Meta in der Lage, sein bisheriges Erfolgskonzept auch für das Shopping im Metaverse fortzuschreiben.

2. Das Metaverse als Kombination von virtueller und physischer Sphäre

Ein Produkt, das in beiden Sphären nutzbar wäre, würde einen weiteren Schritt in der Realisierung der Zielvisionen eines „echten“ Metaversums beschreiben. Die Möglichkeit, digitale Abbilder von analogen Produkten zu erzeugen, eröffnet neue Formen der Angebotskombination aus physischen und virtuellen Elementen. Insbesondere im Fashionumfeld bietet sich dies als verkaufsstrategische Vorgehensweise an. Der Modekonzern Zara hat 2022 eine „Metakollektion“ auf den Markt gebracht, deren Teile sowohl im „physischen“ Umfeld als auch im Zepeto-Metaverse getragen werden können. Die Linie umfasst sowohl Textilien als auch Kosmetikprodukte. Ähnliche Ansätze sind bei Balenciaga und Gucci zu verzeichnen. Balenciaga kooperierte dabei mit Fortnite und ermöglichte die Ausstattung der Fortnite-Avatare mit Balenciaga-Mode gegen die Bezahlung in der Plattformwährung V-Bucks. Nutzer, die in ihrem neu erworbenen Outfit spielten, konnten Fotos ihrer Charaktere einsenden, die dann auf virtuellen Plakatwänden in Fortnite zu sehen waren – gewissermaßen als Testimonial. Dabei blieb die Nutzererfahrung nicht auf das rein virtuelle beschränkt. Auf dem „echten“ Times Square bewarb Balenciaga die Aktion mit den virtuellen Protagonisten seiner Kampagne und führte die physische Kundschaft zu seinem „Bricks&Mortar“-Store in New York, wo das physische Abbild der Kollektion erworben werden konnte. Gucci hat eine limitierte Handtaschen-Kollektion aufgelegt, die auf der Roblox-Plattform sowie in der physischen Realität zeitlich eng begrenzt erworben werden konnte. Dabei waren die virtuellen Versionen mitunter teurer als jene im Analogen, im Falle etwa der „Dionysus“-Tasche USD 4.115 gegenüber USD 3.400. Denjenigen, denen es gelang, eine der wenigen digitalen Taschen zu erwerben, dürften sich zwar über potenziell höhere Wiederverkaufswerte freuen. Dennoch ist die Nutzung der Tasche allein auf Roblox beschränkt, es handelt sich dabei auch nicht um ein NFT: Die Eigentumsfestschreibung erfolgte nicht auf einer Blockchain, sondern lediglich zentral im Roblox-Interface.

NFTs als Treiber des V-Commerce im Metaverse?

Auch wenn diese Aktivitäten derzeit natürlich noch stark auf das Branding großer Modemarken gerichtet sind, eröffnet die Verknüpfung von virtuellen und physischen Produkten, zweifelsohne neue Perspektiven für den Handel. Insbesondere auch kleinere Unternehmen könnten dies als kostengünstigen Ansatz für sich nutzbar machen. Dezentralisierung durch DLT und NFT wird immer auch mit Demokratisierung verbunden und im Schatten der beschriebenen Entwicklungen haben auch zahlreiche kleinere Unternehmen und einzelne, unabhängige Designer sich auf diesen Märkten positioniert. Die Eintrittsbarrieren für den NFT- Fashion-Markt sind schließlich eher niedrig, und auch mit geringen finanziellen Mitteln ist es möglich, eine virtuelle Modekollektion zu kreieren und feilzubieten. Der Brückenschlag in die physische Welt lässt sich daraus dann deutlich leichter vollziehen. Die junge Modemarke Vollebak verkauft Kleidung via NFTs in ihrem virtuellen Geschäft auf der Metaverse-Plattform Decentraland. Gegen Aufpreis lässt sich auch eine physische Version erwerben und der digitale „Direct-to-Avatar“ -Vertriebsweg wird damit bei Bedarf zu einem „Production-on-Demand“-Kanal weiterentwickelt, was die Investitionsrisiken klassischer, „analoger“ Prozesse minimiert. Dabei lässt sich über AR (s.o.) auch eine virtuelle Anprobe simulieren, und aus dem „Try-before-buy“ wird zusätzlich ein „Try-before-Prodcution“.

Ferner lassen sich auf diese Weise aber auch ausschließlich virtuell existierende Produkte mit der physischen Welt verweben. Auf der eCommerce-Plattform Spatialport können einzigartige Luxusuhren als virtuelle Güter erworben werden, deren Hauptzweck darin besteht, ein Foto des Besitzers über AR mit der erworbenen Uhr am Handgelenk digital „anzureichern“ und dieses dann beispielsweise über Social Media zu verbreiten. Die Rechte an dem exklusiven Gut werden über ein NFT fixiert. Der Startpreis für jede Uhr lag bei etwa USD300 (0,1 ETH zum damaligen Kurs).

Kombinationen aus virtuellen und physischen Produktangeboten

Aber auch aus anderen Bereichen, jenseits des Fashionsegments ist es möglich, Kombinationen aus virtuellen und physischen Produktangeboten zu kreieren: Das NFT-Projekt Aisthisi vermarktet Olivenöl in Verbindung mit digitaler Kunst. Wer ein NFT-Werk der partizipierenden Künstler erwirbt, erhält damit auch ein Anrecht auf ein physisches Gut – in diesem Fall eine Flasche Olivenöl. Diese ist mit einem Etikett des jeweiligen Kunstwerks versehen. Das NFT ist nach Erhalt der physischen Ware wieder frei handelbar. Im Prinzip kann diese Form der „Handelssymbiose“ auch auf andere Produktkombinationen übertragen werden. Damit ließe sich ebenso für KMU und Einzelunternehmen eine werthaltige Strategie zur Absatzförderung verfolgen, ohne große institutionelle Hürden. Der Konsumentennutzen ist dabei nicht auf eine einzelne Eigenschaft reduziert, sondern erschließt sich aus einer Mehrzahl von möglichen Kaufmotiven, etwa der Verknüpfung von Konsum- und Investitionsgut.

3. Die Erschaffung eigener Welten zur Kundenbindung und Markenbildung

Eine weitere Handlungsoption besteht in der Nutzung des Metaverses für Kundenbindung und Markenbildung im Rahmen eigener „Sub-Welten“. Wie beschrieben, erlauben viele Metaverse-Plattformen eigene Repräsentanzen. Vielleicht die bislang konsequenteste Nutzbarmachung dieses Ansatzes ist Nike auf Roblox mit seiner umfangreichen Adaption eines „markenbasierten Themenparks“, dem „Nikeland“ gelungen. Der Zugang dazu ist nach dem Roblox-Login kostenlos. Eine Vielzahl von Spielen sind frei nutzbar. Entsprechend der CSR-Strategie von Nike und im Einklang mit dem Markenkern, soll dies junge Nutzer dazu ermutigen, an immersiven Fitnesserlebnissen teilzuhaben. AR-Technologie wird genutzt, um das virtuelle Erlebnis in die physische Welt zu übertragen und soll dabei helfen Zugangsbarrieren abzubauen. Dies bildet den Rahmen, um auch weitere Markenbotschaften sowie Neuigkeiten aus der Produktpalette zu transportieren und Produkt-Showrooms zu präsentieren. Die Spiel-Avatare können virtuell mit bekannten Nike-Produkten ausgestattet werden. Ferner findet Cross-Promotion mit von Nike gesponserten Sportlern statt, die dort auftreten und auch eigene Kollektionen bewerben. 2022 „trainierte“ beispielsweise NBA-Star LeBron James auf dem Nikeland-Basketballfeld Avatare, die während des Events und danach virtuelle Produkte gewinnen konnten . Umgekehrt gibt es auch in der physischen Sphäre eine Entsprechung des Nikelands in Nike‘s New Yorker Flagship Store. Im dortigen Kinderbereich können AR-Anwendungen genutzt werden, etwa über Snapchat-Linsen, um das virtuelle Spielerlebnis aus dem rein digitalen Nikeland in eine physische, virtuell angereicherte Umgebung zu verlagern.

Laut Nike konnten bis zum ersten Quartal 2022 bereits fast 7 Mio. Besucher in Nikeland verzeichnet werden. Daraus resultierte angeblich auch ein nennenswerter Beitrag zum aktuellen Umsatzwachstum. Selbst wenn der Aufwand, der für eine derartige erfolgreiche Umsetzung unzweifelhaft sehr hoch und insofern sowie angesichts der bestehenden Markenstärke von Nike nur schwer kopierbar ist, zeigt sich doch, dass das Metaverse und die Verknüpfung von virtueller und physischer Welt durchaus geeignet sein können, um ein gezieltes Branding, Kundenbindung und ein markengerechtes Absatzmarketing zu betreiben.

Erfolgsfaktoren und Handlungsempfehlungen im Metaverse

Ohne Zweifel sind wir von der Zielvision eines „parallelen“, ubiquitären Metaversums noch weit entfernt. Gleichwohl wäre es aus unternehmerischer Sicht fahrlässig, die hochdynamische Entwicklung und die damit einhergehenden Investitionen in den Markt zu ignorieren. Je nach Branche mögen die Chancen und Risiken eines Engagements womöglich sehr unterschiedlich sein. Und auch der fehlende gemeinsame terminologische Nenner erschwert die Findung der angemessenen strategischen Herangehensweise. Zu warten, bis eines Tages tatsächlich ein untrennbares Verwachsen der virtuellen und physischen Sphäre vollzogen ist, wie es in den Science-Fiction-Romanen und Filmen beschrieben wird, wäre allerdings kurzsichtig und würde die Veränderungen, die bereits heute an den Märkten vollzogen sind, ignorieren. Es ist nicht zu bestreiten, dass zumindest auf den zweidimensionalen virtuellen Plattformen bereits ein neuer Marktkosmos entstanden ist. Eine Reduzierung der Thematik auf Welten, die sich zwingend nur mit VR-Brillen besuchen lassen, würde die anvisierbare Zielgruppe nur unnötig verengen. Anders als sonst in der Digitalökonomie, etwa bei Suchmaschinen und eCommerce-Plattformen sowie in den Sozialen Medien, ist der Markt aktuell noch sehr fragmentiert, der „Kuchen“ noch nicht verteilt. Statt einer zentralen Anlaufstelle für alles was unter dem Begriff Metaverse subsumiert wird, gibt es verschiedene Anbieter, auf verschiedenen Ebenen, die unterschiedliche Teilleistungen erbringen. Umso wichtiger ist es aus Unternehmenssicht, die richtige Plattform zu finden, die einerseits am besten zu den eigenen Zielen und Produkten passt, andererseits aber auch genügend Reichweite verspricht. Selbst wenn im Moment Fortnite das vielleicht am besten entwickelte System im virtuellen Raum besitzt, ist es für die meisten Unternehmen, jenseits der großen Marken, illusorisch, hier einen marktfähigen Ansatzpunkt zu finden. Auf Minecraft oder Roblox hingegen bieten sich womöglich ebenso kleineren Anbietern Chancen aufgrund ihrer dezentraleren Konzeptionen, die auch die Nutzerschaft als kreative Kraft von Beginn an miteinbezogen haben.

Blockchain und DLT eigentlich nicht notwendig

Auch wenn NFTs in aller Munde sind, zeigt sich doch in der Praxis, dass viele erfolgreiche Adaptionen virtueller Güter sehr gut ohne die aufwändige und derzeit noch wenig nachhaltige DLT ausgekommen sind. Daher gilt hier: nur dort, wo es wirklich notwendig ist, wo anbieterunabhängige Wertanlagen geschaffen werden sollen, deren Rückverfolgung zu den Voreigentümern und „Kreatoren“ wirklich einen „Mehrwert“ versprechen, macht es Sinn, auf Blockchain und Tokens zurückzugreifen. Gleichwohl bietet gerade dieses Umfeld erhebliche Chancen für einzelne Künstler und Designer, für kleinere Unternehmen, die hier, wie gezeigt, ohne größeres Investitionsrisiko Produkte unter Marktbedingungen testen oder Wege zu gänzlich neuen Märkten beschreiten können.

Die richtige Kommunikation im Metaverse

Auch hinsichtlich der Kanäle zur Kommunikation über die jeweiligen Tätigkeiten gilt es abzuwägen: Roblox, Minecraft oder Fortnite und auch andere, eigenständige Open-World-Games sind über „Let’s Plays“ von einschlägigen Influencern, auf Twitch oder Youtube gut kommunikativ verankert. Ebenso erreichen Youtube-Kanäle, die sich allein mit Neuigkeiten zu einzelnen Gaming-Plattformen beschäftigen, mitunter erstaunliche Reichweiten. Daneben bietet das Sponsoring von eSports in diesen Umfeldern eine Handlungsoption für eine zielgerichtete kommunikative Begleitung der Aktivitäten. Während für diesen Kontext also ein eingeführter Instrumentenkasten existiert, erscheint die Kommunikation jenseits der Gamingwelt noch als Stückwerk. Für alles, was sich dem Metaverse im engeren Sinne widmet – NFTs, Web3 und alle weiteren DLT-basierten Betätigungsfelder – hat sich Discord als „Verlautbarungskanal“ sowie zur Community-Organisation etabliert, was entsprechend Berücksichtigung in der Kommunikationsstrategie finden sollte. Wie schon beschrieben, eröffnen die virtuellen Welten, deren Zugang ja meist nur durch Registrierung und die damit verbundene ausdrückliche Zustimmung zu wie auch immer gearteten Datenschutzvereinbarungen möglich ist, umfangreiche Personalisierungsoptionen. Auch wenn man als Werbungtreibender nur auf bestehende Plattformen zurückgreift, bieten sich hier tiefgreifende Ansatzpunkte. Als Beispiel kann auch hier Fortnite mit seinen zahlreichen Markenkooperationen angeführt werden: Das Manga-Franchise Naruto ermöglicht den Nutzern spezifische Ausstattungsgegenstände in Fortnite zu erspielen. Für die Teilnahme an diesen zusätzlichen „Challenges“ ist jedoch eine weitere Registrierung notwendig. Somit hat das Engagement der Marke nicht nur einen Brandingeffekt, sondern dient ebenso dem massenhaften Datenmining unter den Millionen Fortnite-Spielern. Das Onboarding läuft dabei einfach und friktionsfrei, per einfachem Click werden die bereits im Stammspiel hinterlegten Daten übernommen.

Gelten im Metaverse andere soziale Regeln?

Im Kontext der Kommunikation ist ferner zu beachten, dass im Metaverse womöglich andere Regeln und Verhaltenskodizes gelten könnten. Meta hat bereits Vorkehrungen getroffen, um virtueller sexueller Belästigung vorzubeugen. So sollen sich Avatare im Virtuellen nur bis auf einen festgelegten Mindestabstand nähern können. Auch was als rechtmäßiges oder strafbares Handeln im virtuellen Metaverse zu verstehen ist, müsse (noch) verhandelt werden, wird insbesondere aus den USA gefordert. Tendenziell dürfte das Metaverse damit vermutlich eher „woke“ und weniger anarchische Spielwiese für das Ausleben ungezügelter Freiheiten sein. Der oft modernistische Gestus der aktuellen Diskussion kann aber auch als leistungsfähiges Vehikel für bestimmte aktuelle Themen genutzt werden: Nachhaltigkeit und ebenso soziale Anliegen, wie sie z.B. NIKE mit seinem Nikeland verfolgt, lassen sich, sofern einige Grundregeln der CSR befolgt werden, derzeit vermutlich gut und glaubhaft in diesem Kontext transportieren.

Erfolgssteuerung der Metaverse-Aktivitäten

Schließlich sollte das Engagement in einem wie auch immer gearteten Metaverse entsprechend gesteuert und auf Erfolgswirksamkeit überprüft werden. Womöglich unterscheiden sich jedoch die erfolgsrelevanten Metriken von den bisher im Digitalen Marketing erprobten Kennzahlen wie „Likes“, „Shares“ und „Conversions“. Das Metaverse ermöglicht neue Formen des „Engagements“, die sich auch im Monitoring und Controlling jenseits reiner Absatzzahlen widerspiegeln sollten. Dazu zählen etwa die Messung des Community Engagements im entsprechenden Discord-Stream, der „Share of Voice“ der Postings in einschlägigen virtuellen wie auch traditionellen digitalen Communities sowie die Ermittlung der erfolgreichen zugrundeliegenden Content-Arten. Ebenso kann die Auswertung der öffentlich geführten Chats in den jeweiligen Welten im Rahmen eines semantischen „Conversation Minings“ werthaltige verhaltensökonomische Einblicke gewähren. Und auch die Verbreitung virtueller Güter bietet Ansatzpunkte für die Kennzahlenerhebung und -steuerung. Deren „Marktdurchdringung“ lässt sich erheben, indem der Absatz je Nutzer und die Nutzerzahlen insgesamt gegenübergestellt werden. Und in Bezug auf NFTs dürften der Verkauf über Zweitmärkte – jeweils geld- und stückbewertet – sowie die entsprechende Preisentwicklung zu wichtigen Indikatoren werden.

All dies weist daraufhin, dass Marketing und Vertrieb im Metaverse angesichts dieser neuen Anforderungen auch angepasste oder neue Strukturen und Prozesse benötigen. Für alle potenziellen Marktteilnehmer gleichermaßen – groß wie klein – gilt daher: halbherzige Vorstöße dürften kaum Erfolg versprechen.

Ist das Metaverse nur ein Hype?

Immer wieder werden Zweifel daran geäußert, ob dem Metaverse wirkliche eine nachhaltige Entwicklung beschieden ist oder ob die aktuelle Diskussion und die daraus erzeugte Aufmerksamkeit nicht bloß ein „Hype“ ohne wirkliches Fundament seien. Zunächst scheint es aus heutiger Sicht sehr unwahrscheinlich, dass tatsächlich ein ubiquitäres, die Standardschranken einzelner Plattformen überwindendes Netz entstehen könnte, das virtuelle und physische Welt immersiv vereint. Treiber hinter den Entwicklungen sind bereits am Markt etablierte Unternehmen mit autarken ökonomischen Interessen. Ein Monopolisierungssog – bei dem natürlich fraglich ist, ob dieser überhaupt wünschenswert wäre – zeichnet sich ebenso wenig ab wie eine breite Kooperation der Wettbewerber. Insofern dürfte die Vision eines distribuierten Web3, welches auch die Verfügungsmacht in einem solchen Netz dezentralisieren würde, nur schwer zu realisieren sein. Vor allem aber scheint es schwer vorstellbar, dass man als Mensch aus Fleisch und Blut tatsächlich große Teile seines Alltags in der Virtualität verbringen möchte, bei allem Spaß, den das punktuell bereiten mag. Worin bestünde der Nutzenzuwachs dadurch? Wer den namensgebenden Roman Stephenson’s heute, mehr als 30 Jahre nach Erscheinen, liest, dem dürfte auffallen, wie nah die dort skizzierte Version des Metaversums an den aktuellen Vorstellungen und Konzepten dazu liegt. Bereits damals beschrieb Stephenson die Verwendung virtueller Markenartikel und digitaler Mode durch individualisierte Avatare, in allen ihren Ausprägungen und Konsequenzen – übrigens nicht als erstrebenswert erscheinende Zielvision, sondern als Dystopie. Umso erstaunlicher ist es, dass das Werk als eine Art Blaupause für die Verschmelzung von physischer und virtueller Welt betrachtet wird.

Allerdings wäre es nicht das erste Mal, dass wir auf gelernte und tradierte Denkmuster als Erklärungsmodell zukünftiger Entwicklungen zurückgreifen – und damit zu falschen Schlüssen gelangen. Auch das WWW, die sozialen Medien und die Digitalisierung als solches wurden bereits in der Vergangenheit mit zahlreichen falschen Prognosen bedacht. Warum sollte es diesmal anders sein?

Budgets follow Eyeballs – auch im Metaverse

Vieles deutet daraufhin, dass wir uns zur Beurteilung der Marktchancen nicht auf enge definitorische Zielkorridore oder prosaische Zukunftsbeschreibungen verlassen sollten. Der technische Fortschritt bei den Endgeräten, den VR-Brillen, lässt sich ebenso wenig linear vorausbestimmen wie die Adaptionsbereitschaft jüngerer Generationen oder auch die Auswirkungen externer Faktoren, wie den Klimawandel, geopolitische Krisen oder eine Pandemie.

Insofern erweist sich der pragmatische Blick auf das bereits erreichte und realisierte womöglich als die vielversprechendere Herangehensweise. Tatsache ist nun mal, dass viele Menschen, in erster Linie jüngere, vielleicht nicht ihren kompletten Alltag, aber doch einen erklecklichen Teil ihrer Zeit bereits jetzt in nicht-physischen Welten verbringen. „Budgets follow Eyeballs“ ist ein bewährtes Diktum der Digitalwirtschaft, und in der Tat überschreiten die Investitionen in Verbindung mit einem wie auch immer gearteten Metaverse bereits jetzt jene in die „Schlüsseltechnologie“ KI.

Das Metaverse als Ausdruck einer sich wandelnden Gesellschaft?

Dass Menschen bereit sind, für nicht-materielle Sachgüter, die in der physischen Sphäre eigentlich keinen Wert besitzen, Geld auszugeben – auch jenseits der gehypten BoredApeYachtclub- und Cryptopunk-NFTs, kann ebenfalls als Fingerzeig für eine gesellschaftliche Entwicklung außerhalb erwarteter Muster gelten. Wer tiefer in die beschriebenen Welten eintaucht, wird schnell feststellen, dass dem eigentlich vielstrapazierten Begriff der „Identität“ im Virtuellen eine besondere Adaption zu Teil wird: Der Wille zur persönlichen Abgrenzung und Individualität ist hier als realisiertes Massenphänomen zu beobachten. Die virtuelle Sphäre hat sich bereits zu einer Projektionsfläche für Wünsche, Werte und Haltungen entwickelt, die über die Möglichkeiten in der analogen Realität deutlich hinausgehen – und wofür die Nutzer und Nutzerinnen auch bereits heute bereit sind, zu bezahlen. Das allein kann schon als Vorbote einer sich verändernden Lebenswirklichkeit begriffen werden. Letztlich ist das „Metaverse“ nur ein Symbol dieses Wandels.


Mehr zum Thema: Vortrag/Keynote von Prof. Dr. Andreas Wagener: „Künstliche Intelligenz im Marketing: Künstliche Kreativität, VR & DNA-Targeting.“:

Mehr Informationen zum Thema KI im Marketing finden Sie im Buch von Andreas Wagener Künstliche Intelligenz im Marketing, Haufe, Freiburg, 2023

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